samira engel

EIN GESPRÄCH

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Tomash: Wie heißt du? Wie nennst du dich?

Samira: Sam. Manchmal auch Samira. Für mich ist beides ok. Darf ruhig auch chaotisch sein. 

Tomash: Sie?

Samira: Ja genau, mein Pronomen ist „sie“. 

Tomash: Die erste Frage wäre: Woher kommen deine Objekte? Was haben sie für eine Geschichte? 

Samira: Okey, wie am besten anfangen… Die Objekte hatten am Anfang schon alle diese Rollen und ich wollte, dass sie irgendwas können. Einmal habe ich ein halbes Jahr lang eine kinetische Slapmachine gebaut, die sollte allen eine Backpfeife, also ne Watschen verpassen, ist dann aber kurz vor der Ausstellung kaputt gegangen. Ich glaube das war ein absolutes Schlüsselmoment im Prozess mit diesen Arbeiten.

Tomash: Was ist die Faszination mit Rollen?

Samira:  Das hat auf jeden Fall was Praktisches. Man kann Dinge rumrollen. Wenn Kunst schon auf Rollen gebaut ist, ist sie dadurch gleich leicht verräumbar. (lacht) Das ist doch super. Naja und ich habe aus einem performativen Background heraus mit diesen Objekten begonnen. Ich fand es spannend, dass man die auch schieben kann. Dass sie quietschen. Und mich hat interessiert, wie der Körper mit diesen Objekten interagieren kann. 

Tomash: Es gibt ja wirklich schöne Rollen. 

Samira: Ja! 

Tomash: Was sind das für Gefährte? Was sind das für Objekte oder Skulpturen?

Samira: Die ersten Objekte waren mehr so ein Gerüst. Eine Haltekonstruktion mit mehreren Rollen. Sie war mobil, bewegbar und auf der haben wir zu dritt performt. 

Irgendwie beschreibe ich lieber wie sie sind, als was sie sind. Sie sind manchmal klapprig und kaputt, haben aber dann ganz neue, abgefahrene Funktionalitäten.. und bisher waren das oft Teile, die in unserem Alltag sehr präsent sind, wie ein Einkaufswagen, ein Rollator, Kinderwagen. Alltagsdinge. Die ich komplett transformiere und dabei ist mir wichtig, dass sie diesen ready-made Charakter behalten und noch an etwas Bekanntes erinnern. Ich habe einmal gesagt, es sind umgebaute Alltagsgehilfen. Alltagsgeräte. 

Tomash: Du verwendest also nicht nur Objekte aus dem öffentlichen Raum und Verkehr, sondern auch Dinge aus dem Privaten?! Der Rollator oder diese Haltegriffe von Krankenbetten, die es so ähnlich in der U-Bahn gibt. Es geht hin und her?!

Samira: Genau, ich habe auch eine riesen Faszination für diese kleinen Gadgets, wo man drauf drücken kann und es kommt ein Sound raus. Und für all diese genialen Dinge, die so zwischen Spielzeug, Helferlein und Gadget angesiedelt sind. Wo dann oft die Frage auftaucht: Brauch ich das jetzt wirklich, oder eher nicht? Und am Ende verstopfen sie eh nur all unsere Schubladen. Auch diese ganzen neuen Fortbewegungsmittel haben so einen Gadget-Charakter. Wie heißen sie alle? Sagways, Scooters.. aber da gibt es ja verschiedenste Variationen. 

Tomash: Ja, Leute die mit 50km/h auf solchen Dingern auf der Prater Hauptallee dahin rasen.

Samira: Ich denke auch an diesen ganzen Spielzeugkrams. Diese Wave Boards, Inliner, ferngesteuerten Autos für Babys, sowas. 

Tomash: Was ist Mobilität? Das ist ein großes Wort, kommt oft vor und wird so stark von den falschen Leuten und Konzernen mit-dominiert. Wie kann man den Begriff Mobilität in einer guten Art und Weise verwenden? 

Samira: In meiner Arbeit ist der Begriff gar nicht so direkt präsent. So große Begriffe finde ich auch eher anstrengend, die stehen sich doch selbst im Weg. 

Tomash: Und wie heißen die Arbeiten? Wie nennst du sie? 

Samira: Ein Titel war „In der U alle gleich“. Das war die Arbeit in der ich mit den Halteriemen und den Haltestangen der U-Bahn gearbeitet habe. Ich fand es spannend darüber nachzudenken, was für eine Raum die U-Bahn ist. Ein Raum der Öffentlichkeit. Alle fahren nach der Arbeit nach Hause, treffen aufeinander und sind alle in einem ähnlich geschlauchten, erschöpften Zustand. Sie lassen sich irgendwohin transportieren. Das war eine inspirierende Auseinandersetzung: Mit der U-Bahn, als Ort. Interessanterweise haben alle Objekte, jedes für sich, eine Art Charakter entwickelt, gerade wie ich sie in den Transit-Zonen im öffentlichen Raum gefilmt und in Videos gezeigt habe. Dort stehen sie im Weg und blockieren den Raum. Ich habe sie zum Beispiel auf einer Rolltreppe platziert oder im Aufzug, wo sie dann feststeckten und rattern. In der Nacht, in leeren Räumen, die sonst so voller Menschen sind. Der Aufzug geht immer auf und zu, weil das Objekt in der Tür steckt und die Rolltreppe läuft endlos weiter, weil das Zweite auf ihr hängen bleibt. Und so verschiebt sich die Aufmerksamkeit auf den Lärm und das Rauschen dieser Transit-Orte. Was sind das für Orte, was bleibt übrig, ohne die ganzen Menschen? 

Tomash: Und wie bezeichnest du sie, wenn du über sie sprichst? 

Samira: Mhhh. Manchmal als Gefährte oder Rollis vielleicht?

Tomash: Rollis?

Samira: Ja. Rollis. Aber das ist ganz unterschiedlich. 

Tomash: Gefährte ist ein schönes Wort. Es kann das Ding bezeichnen und auch Gefährte, also Freunde, Freundinnen, Leute, die mit dir gemeinsam etwas unternehmen. Oder? 

Samira: Ja. Es kam einfach so. Niemand hat sich darüber gewundert. Ich finde, die Objekte sind auch Prothesen. Und stimmt, über das Wort Gefährte bekommen sie fast Persönlichkeit.

Tomash: Warum sind deine Arbeiten humorvoll? 

Samira: In den Videos haben sie angefangen zu nerven, weil sie einfach im Weg stehen. Die Leute haben auch gefragt, was wollen diese Objekte denn? Das fand ich ziemlich witzig, dass sie eine so unbefriedigende Beunruhigung auslösen können.

Dann arbeite ich viel mit gefundenen Material und mache diese Wege zum Schrottplatz. Das ist ja extra extrem umständlich, aber eben genau deshalb gut so, weil das ja gleichzeitig den ganzen Prozess ausmacht. Das habe ich selbst erst später verstanden. Und ich denke, die Objekte, das Material erzählen von diesen absichtlich mühsamen Umwegen und von den Begegnungen, die dadurch erst passieren.

Tomash: Der Grund für Humor? Ist meistens etwas überraschendes? Humor meint etwas flüssig zu machen. Oder?

Samira: Ich habe einmal über das Lachen gelesen. Da ging es darum, dass man etwas Bekanntes in einem vollkommen anderen Kontext erkennt. 

Tomash: Ich kann mich erinnern, dass ich deine Objekte von Anfang an sehr lustig gefunden habe. In der Augasse.. Welche Bezüge und Assoziationen magst du? In Bezug zu den Arbeiten. 

Samira: Ich freue mich, wenn irgendwer was anderes sieht als ich. Oft führe ich nämlich auch erst hinterher einen Dialog mit den Arbeiten und versuche rauszufinden, was sie denn nun wollen. Vor kurzem habe ich mich ein bisschen mit den Disability Studies beschäftigt, weil irgendwie sind diese Objekte auch disabled, aber weil sie in ihrer bisherigen Funktion behindert sind, erzählen sie von ganz anderen Funktionen, abseits irgendeiner Norm, die einem sagt wie man zu funktionieren hat. Sie rollen einfach anders. Und ich mag das sie etwas so körperbezogenes haben und die Frage stellen, wie wir uns vielleicht mal ganz anders bewegen oder mobil sein werden.  

Tomash: Wie verhalten sich die Arbeiten zum Thema Geschwindigkeit im neoliberalen öffentlichen Raum? Schnelligkeit. Rücksichtsnahme. Überlagerungen. 

Samira: Das Fragen selbst verschiebt sich. Eher hin zu: Wie geht es den Objekten eigentlich?

Tomash: Den blöden Rollern die überall herumstehen? Warten müssen, bis der nächste Trottel kommt. 

Samira: Ja, wie geht es denen eigentlich? (lacht) Mit den ganzen Menschenmassen. 

Tomash: Das ist eine gute Frage. 

Tomash: Was sagen die Arbeiten über Wien? Gibt es etwas, was diese Arbeiten über Wien aussagen? Über den öffentlichen Raum in Wien? 

Samira: Mh, vielleicht eher im Bezug auf Wien als perfekt optimiertes Großstadt-Lifestyle-Gefüge allgemein, wo alles auf Schnelligkeit ausgerichtet ist, möglichst schnell von A nach B zu kommen. 

Vielleicht nehmen die Arbeiten da so eine Anti-Optimierungshaltung ein. Sie zeigen sich als dilettantisch und schwach, als schrottig und dreckig. Wien ist dagegen ja immer sehr sauber.

Tomash: Gibt es Leute, die irgendwas sagen? Was gab es für Reaktionen? Draußen. 

Samira: Es gibt die unterschiedlichsten Reaktionen. Viel Neugierde. Auch Unverständnis. Oft lachen die Leute. Ich glaube sie lachen, weil man für die Objekte plötzlich sowas wie Empathie oder Mitleid empfindet. Weil sie so schrottig ausschauen. Mir gefällt, wenn sie auch ein weniger Kunstszene-affines Publikum ansprechen.

Tomash: Wie siehst du den Verkehr. Was passiert zurzeit im Verkehr? Wie nimmst du den Verkehr in Wien wahr? 

Samira: Vor allem nehme ich da Autos wahr (lacht), die ziemlich viel Raum einnehmen und Straßen verstopfen. Fahrradwege, die einfach aufhören und enden. Das nehme ich auch wahr. Und einerseits herrscht Chaos und andererseits gibt’s tausend Regeln. 

Tomash: Ja und es gibt Roller, Kleinmopeds, alles was du vorher erwähnt hast. 

Samira: Ja. 

Und die fetten SUVs gibts auch noch. 

Tomash: Was denkst du über Kunsttransporte? Wie transportierst du deine Arbeiten?

Samira: Bisher transportiere ich sie zu Fuß, aufm Rad, mit der Bahn. Da passt vielleicht auch wieder der Name Gefährte. Ich schiebe sie dann quietschend neben mir her. Das ist natürlich auch ziemlich performativ, sich mit denen durch die Stadt zu bewegen. Aber wie lustig wäre es, dass als festen Bestandteil der Arbeit zu sehen, dass sie immer zu Fuß abgeholt und zu jeglichen Orten geschoben werden, wo sie hin sollen. Das Zeit nehmen gehört dann quasi mit zur Arbeit, es wird mit eingefordert. (lacht) 

Tomash: Und wie kommst du zum Matzleinsdorferplatz? 

Samira: Na dahin kommt man doch nur mit dem Flugzeug.