Oase Praterstern 

Bald ist es soweit: der neue Praterstern ist fertig, die Neugestaltung des Platzes steht vor dem Abschluss, die Oase wird eröffnet. Eine Handvoll Politiker:innen, Planer:innen und Manager:innen der Verkehrsbetriebe werden den neuen Platz präsentieren, schöne Fotos machen. 

Angekündigt wurde eine Verdoppelung der Grünfläche, eine Verwandlung des Platzes in eine Grünoase. „Der Praterstern wird von einem betonlastigen Verkehrsknotenpunkt zu einer grünen und coolen  Aufenthaltsoase mit 101 Bäumen.“ Der prägnante Slogan dazu: „Raus aus dem Asphalt“. 

defensive architecture deluxe

Die Renderings zeigten den Praterstern regelrecht als grünen Dschungel. Aber nicht nur ein mehr an Grün wurde in Aussicht gestellt, sondern auch eine neue integrative Gestaltung, eine verbesserte Aufenthaltsqualität und mehr Platz für alle Menschen. 

Was davon ist eingetreten? Was haben die kolportierten 7,3 Millionen Euro, die in den Umbau des Platzes, in Oberflächengestaltung und Aufbereitung des Untergrunds, geflossen sind gebracht? 

Klarerweise ist der Platz keine Oase. Der Platz ist weiter ein betonlastiger und asphaltlastiger Verkehrsknotenpunkt. Da hat sich zuerst einmal wenig geändert. Der Platz ist hauptsächlich aus zwei Gründen kaputt: das ist die mehrspurige Autostraße rund um den Platz und zum Anderen ist der Verkehrsknoten als öffentlicher (demokratischer) Raum des Austausches jenseits von reinem Konsum sukzessive zerstört und mit Securities, Schauermärchen, Polizei, Kontrolle und Überwachung ersetzt worden. Eine schleichende Privatisierung. Es gibt heute keine sozialen Einrichtungen an Verkehrsknotenpunkten, keine Orte der Kultur, keine Second-Hand Läden, keine Spielplätze, keine Orte des Austausches ohne Konsumzwang, etc. 

oase
ex polizei station > bio bobo lokal

Mit den 7,3 Millionen Euro (wahrscheinlich liegt der tatsächlich Betrag weit darüber) hätte man die geilsten Kulturinitiativen oder innovative soziale Treffpunkte auf Jahre am Platz ausfinanzieren können. 

Ok, am Platz befinden sich jetzt mehr Bäume. Aber ist das genug? Nachdem die Stadt ein Jahrzehnt mehr Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit propagiert hat – propagiert sie seit zwei Jahren lautstark mehr Grünoasen, mehr Grün, eine Abkühlung, coole Orte, etc. Sind das nicht zwei Facetten einer Ordnungspolitik, einer Politik der Gentrifizierung. Seit Anfang der 2000er Jahre steht der Praterstern im Zentrum einer massiven Umgestaltung der Gegend, eine Gentrifizierung und Verdrängung von einkommensschwachen Klassen ist in großen Ausmaßen Realität, sowohl im Stuwerviertel, im Volkertviertel, aber auch das neue Nordbahnviertel, die neue Wirtschaftsuni, die privatisierte Welt rund um die Trabrennbahn, all das trägt zu einer Gentrifizierung bei – am Praterstern bildet sich diese Politik exemplarisch ab, indem der Platz als Plattform für ordnungspolitische Diskurse, als negative Projektionsfläche oder als Übungsgelände für Polizeirekruten verwendet wird. 

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sättigungswert hoch
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Michael Ludwig hat das ganz gezielt genutzt, einerseits mit großen Hallo alljährlich das Oktoberfest eröffnet – gleichzeitig ein so genanntes Alkoholverbot am Platz erlassen, somit der Exekutive ein Instrument zur Hand gegeben arme Leute, Obdachlose und unerwünschte Leute noch einfacher vom öffentlichen Platz zu vertreiben. Am ganzen Platz gibt es Alkohol zu kaufen, zu konsumieren, das Oktoberfest ist nur die Draufgabe. Es gilt ein Alkoholkonsumverbot für arme Menschen im öffentlichen Raum am Pratertern. Sonst nichts. Die Besucher:innen des Oktoberfests gehen natürlich mit Bier über den Platz zum Festzelt. Das ist klar. Die Kontrollen treffen immer nur einen Teil der Bevölkerung. 

An den Kontrollen, an der Überwachung, an den Securities, am Polizeiaufkommen wird sich auch in Hinkunft nichts verändern. Auch das Alkoholverbot wird derweilen bleiben, obwohl es bei der angekündigten Evaluierung zu gröberen Schnitzereien gekommen ist – solange Michael Ludwig es als oportun empfindet wird diese Regelung prolongiert. 

öbb-polizei-wienerlinien

Was ist mit den Autos am neuen Platz? Es hat sich gar nichts verändert. Keine einzige Spur ist anders gewidmet, weiterhin rollt der Autoverkehr unvermindert über den Platz. Das ist derzeit auch noch unverrückbare SPÖ-Doktrin, keinen Millimeter vom autozentrierten Wirtschafts- und Lebensmodell abzurücken. 

Die Aufenthaltsqualität sei durch eine Vielzahl an neuen Sitzgelegenheiten verbessert, so die Planer:innen und Politiker:innen. Es stimmt, das viele neue Sitzgelegenheiten – wenn man die Betonobjekte als solche bezeichnen möchte – installiert wurden. Fast alle davon sind für einzelne Menschen, an zwei Orten gebe es größere Bänke, versichert mir ein Planer, den ich zufällig am Platz angetroffen habe. Die Menschen wollten keine geräumigen Parkbänke meinte er, das führe zu Unbehagen, die Menschen wollten alleine bleiben. Und die allermeisten Sitzgelegenheiten seien so konzipiert, dass man sich nur kurz dort aufhalte – am Weg zum Würstelprater, etc. Nicht zum verweilen. Deswegen seien die Betonteile alle schief, das habe aber nichts mit einer defensiven Architektur zu tun – im Gegenteil habe man qualitativ hochwertige Rückzugsorte für Obdachlose geschaffen. 

Was gibt es noch: Dort wo bislang im schatten des großen Baums bei der ehemaligen Polizeistation sich Obdachlose aufgehalten haben ist jetzt ein Bobo-Geschäft und Restaurent mit abgezäunten Spielplatz entstanden. 

Was sei gegen eine Verschönerung, gegen eine schöne Gestaltung einzuwenden? Sehr viel!  Ästhetisierung und Behübschung von oben in Kombination mit einer selektiven restriktiven Ordnungspolitik und einer Transformation von öffentlichen Verkehrsräumen in privatisierte Shopping Malls – das führt, ob grün oder grau, zu einer Zerssetzung von demokratischer Öffentlichkeit, das bringt Menschen gegen Menschen auf. 

einfach schön

Es ist bizarr und alarmierend, dass solche technischen gestalterischen Ansätze als vernünftige sozialpolitische Lösungen verkauft werden. Bereits 2008 wurden im Zuge der Fußball-Europameisterschaft ganz ähnliche Versprechungen mit einer Neugestaltung des Platzes verknüpft. Wir wissen alle welche Rezeption der Platz in den folgenden Jahren genommen hat. 

Verkehrsknotenpunkte müssen als soziale Orte der Öffentlichkeit neu gedacht und kollektiv besetzt werden.